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Dienstag, 20. November 2012

Ich war jung und brauchte das Geld....

Irgendwann in den Neunzigern bekam ich einen Anruf:
"Guten Tag, hier ist Frau Sowieso, spreche ich mit Lady Crooks?"

Lady Crooks: "Ja, aber wer sind Sie? Woher haben Sie meine Telefonnummer?"

Frau Sowieso: "Die habe ich von Beate Schießmichtod."

Lady Crooks: "Beate Schießmichtod?" grübel, grübel, grübel...

"Ach, die! Die habe ich ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Wieso gibt die ihnen meine Telefonnummer?"

Frau Sowieso: "Sie ist eine meiner freien Mitarbeiterinnen und meinte sie wären DIE geeignete Person für uns. Wir suchen noch Mitarbeiter, wir sind ein expandierendes Unternehmen."

Lady Crooks (etwas zögerlich): "Um was für einen Job handelt es sich?"

Frau Sowieso: "Vertrieb"

Ich mache es kurz. Es war mir suspekt, lies mich aber dazu überreden an einer sogenannten Infoveranstaltung teilzunehmen.
Aussage war: "Ziehen sie sich etwas schicker an, wir gehen danach noch alle zusammen ein wenig feiern."

Ich erschien zur vereinbarten Zeit, in meinem damals ultraschicken Tweedkostüm (ich glaube ich würde es heute noch tragen, wenn es nicht irgendwann schäbig geworden wäre, das Ding war einfach eine Sensation), am vereinbarten Ort.

Ich schaute mich um.

wtf!
Ich war offensichtlich falsch. Das war ein Nuttenkongres und keine Infoveranstaltung für ne zukünftige Vertriebsmannschaft.

Die Nutten Mädels: Auftoupierte Haare, breite Gürtel statt Röckchen und Ausschnitte bis zum Bauchnabel.
Die Zuhälter Jungs: Im knackig sitzenden KonfirmantenAnzügchen und die Goldkettchen blitzten unter der Lederkravatte hervor.

Ich wollte gerade gehen um die richtige Veranstaltung zu suchen, aber da stand Frau Sowieso plötzlich vor mir und trieb bat mich mit den Nutten und Zuhältern anderen Damen und Herren in den Saal.

Ein schmissiger Herr mit Schnauzer erstürmte die Bühne, bat Frau Sowieso und ein paar andere Führungskräfte der Vertriebsriege zu sich und man stellte sich dem gespannten Publikum vor.

Es war einfach possierlich, wie gut sich alle verstanden, wie man sich über abgedroschene Witze amüsierte und wie froh gelaunt alle erzählten, dass sie sich nun dank diesem wunderbaren Job jetzt ganz tolle Dinge leisten konnten... "und das Beste", so wurde verkündet: "auch sie können bald Teil unserer Familie sein. In der Pause haben sie die einmalige Gelegenheit für lächerliche 200,00 DM Investition sich die Grundlage für ihren zukünftigen Reichtum zu legen."

Dann verließen alle bis auf den Schnauzbart die Bühne und Letzterer legte mit seinem Vortrag los.
Chaka!
Ich war beeindruckt über die Redegewandtheit und Rechenkünste des Herrn.
Aber ich dummes Ding, ich. Verstand ich doch das eine oder andere nicht und fragte nach: "Irgendwie kann ich ihrem Rechenbeispiel nicht folgen. Ich komme da auf ein anderes Ergebnis."

oder

"Wie kann das sein? Da fehlt doch noch eine Information."

Der Schnauzbart beruhigte mich: "Nein, nein, das stimmt schon. Ich erkläre ihnen das in der Pause. Ich mache jetzt weiter, wir werden sonst nicht fertig."
Aber ich bin und bleibe ein dummes Ding und fragte bei der nächsten Gelegenheit erneut blöd nach.
Es war mir ja auch peinlich, deshalb war ich froh, dass Frau Sowieso sich blitzschnell neben mich setzte und mir vertrauensvoll zuflüsterte:
"Stören sie den Vortrag bitte jetzt nicht weiter, sonst werden wir nicht fertig, wir erklären ihnen alles nachher bei einem Cocktail." 

Das war natürlich ein verlockendes Angebot, mit all den Nutten Damen und Zuhältern Herren einen gepflegten Cocktail trinken zu gehen und noch dazu meine Bildungslücken geschlossen zu bekommen.

Großartig!

Bevor die Pause begann forderte man uns auf für das Schnäppchen von 200,00 DM nun die Unterlagen zu erwerben die wir für den zweiten Teil der Veranstaltung benötigt wurden und versprach uns, uns selbstverständlich das Geld zurück zu bezahlen, wenn man am Ende der Veranstaltung nicht von den Produkten und der Möglichkeit Geld zu drucken überzeugt sei.

Ich neugierig Weib ich!
Ich kaufte mir natürlich den Schnellhefter mit ein paar Farbkopien von windigen Timesharing- und Anlageprodukten die Unterlagen mit dem wertvollen Inhalt und folgte ehrfürchtig dem zweiten Teil des Spektakels, bei dem mir immer wieder vor Augen geführt wurde, dass ich offensichtlich dumm bin, weil sich mir die mannigfaltigen Möglichkeiten, Millionär zu werden, nicht erschließen wollte.

Ich war deshalb auch so froh, dass Frau Sowieso nicht mehr von meiner Seite wich und mir immer wieder beruhigend versicherte, mir dummem Ding, nach der Veranstaltung alles ausführlichst zu erklären, ich solle nur nicht wieder zwischenfragen.

Leider war ich am Ende der Veranstaltung endgültig der Überzeugung, zu dumm für diesen Job zu sein, weil ich es einfach nicht im Ansatz verstand wie ich hiermit Geld verdienen könnte es sei denn ich würde meine Familie und alte Omas über den Tisch ziehen, deshalb wollte ich reumütig die wertvollen Unterlagen zurückgeben und mein Geld wieder haben.

Frau Sowieso: "Ach schlafen Sie doch nochmals drüber. Wir gehen jetzt einen Cocktail trinken, da kann ich ihnen noch die eine oder andere Frage beantworten."

Lady Crooks: "Bekomme ich dann mein Geld dann wieder, wenn ich ihnen die Unterlagen morgen zurück gebe."

Frau Sowieso: "Nein, das geht natürlich nicht, weil Sie die Unterlagen dann ja kopieren und womöglich der Konkurrenz zuspielen können."

Lady Crooks: "Gut, dann gebe ich sie jetzt zurück und sollte ich es mir noch überlegen, kann ich sie ja anrufen."

Frau Sowieso (nun verständlicherweise etwas schnippisch, immerhin hat sie mir die ganze Veranstaltung das Händchen gehalten):
"Wie Sie wollen, aber dann brauchen Sie auch gar nicht mehr mit uns einen Cocktail trinken gehen."

Ihr versteht sicherlich dass es mir den Boden unter den Füßen wegriss, weil ich aus der elitären Gemeinschaft nun ausgeschlossen wurde und war nur dadurch etwas getröstet, dass sich ein paar der anderen Damen und Herren solidarisch mit mir zeigten und ebenfalls die Unterlagen zurückgaben.

Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf von Beate Schießmichtod:
"Da hast du mich ja gestern so richtig blamiert! Noch nie hat jemand die Unterlagen zurück gegeben und du hast gestern 10 Leute dazu aufgestachelt. Frau Sowieso hat mich soeben angerufen und mich zusammen geschissen, dass ich ihr nie wieder eine Telefonnummer von jemandem wie dir geben soll, der die komplette Veranstaltung sprengt."

Ich war natürlich zu tiefst betrübt über diese Sache und was soll ich sagen. Beate Schießmichtod, war so sauer mit mir, dass sie sich nie wieder bei mir gemeldet hat...

Ich bin bis heute am Boden zerstört.... *seufz*

34 Kommentare:

  1. Und dann wundern, wenn die deutsche Wirtschaft krankt und wir alle an Armut sterben werden. Und die tollen Cocktails. Ne, jetzt haben die den bestimmt wegkippen müssen. Ach, Du böses Ding. ;-)

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  2. Und bis heute weißt du nicht wer Beate Schießmichtod eigentlich ist^^

    Die Geschichte erinnert mich arg an den Tatort mit der Drückerkolonne... haarsträubend.

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    1. Wie!

      Die haben meine Geschichte verfilmt?

      Ich werde Tantieme einfordern, vielleicht werde ich dann doch noch Millionärin;-)

      Doch, doch ich weiß wer Beate Schießmichtod ist. Ich weiß noch wo ich sie kennen gelernt habe, aber ich glaube heutzutage würde ich sie nicht wieder erkennen;-)

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  3. Ach Du Sch....!!
    Was haben die denn vertickt? Was für Anlageprodukte? Ich dachte zunächst eher an Nahrungsergänzungsmittel oder so...

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    1. Ich weiß gar nicht mehr so genau. Es waren in jedem Fall Tinmesharingwohnungen und irgendwelche windigen Immofonds (aus Kasachstan oder sowas) etc pp.

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  4. Ach Du liebe Zeit - ja solche Veranstaltungen kenne ich.

    Man möchte es lieber nicht wissen, was da so für Menschen auftauchen, ich jedenfalls war damals entsetzt, wieviel Kollegen und bekannte Gesichter ich dort im Zuschauerraum entdeckte.
    Allerdings mit einer offenbar anderen Intention als ich auf der Veranstaltung...

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  5. Schöne Geschichte,sehr mutig aufzustehen!

    Jetzt weißt Du ja ,wie es läuft:
    Ruf Beate nochmal an und laß Dir das Fernbleiben von diesen Veranstaltungen mit sagen wir mal 1800,- pro Auftritt honorieren.
    Wenn die so gut rechnen können,wie sie vorgeben,haben sie ein Geschäft gemacht.(Kostet heute bestimmt 200,-Euro)
    Nach einem Jahr könntest Du Dein Honorar durchaus anheben - mit der ganzen Erfahrung würdest Du doch im handumdrehen auch mehr als 10 Personen überzeugen können...

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    1. ...wie gesagt ich war jung und brauchte das Geld. Auf die 200 DM wollte ich ungern verzichten.

      Aber dein Geschäftsmodell ist interessant. Zu dumm, dass ich die Telefonnummer von Beate Schießmichtod nicht mehr habe;-)

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  6. Du könntest Beraterin werden ... also meine Beraterin für Situationen im Alltag ... oder wo ich wie und was Kommentiere oder Poste etc. Du hast in jedem Fall eine gute Intuition ;)

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    1. Sagen wir so...

      Das war so offensichtlich, dass es sich um eine Schneeballorganisation handelt...

      Aber danke für das Jobangebot. Wir müssten noch über die Konditionen reden;-)

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  7. Goil, eine Veranstaltung wo sogar Nutten 200 DM zahlen müssen um mal am Coktail schlürfen zu dürfen, tolle Geschäftsidee ;-) Alles richtig gemacht Frau Crooks

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    1. So habe ich das noch gar nie gesehen!

      Recht Haben sie Herr Spank!

      Manchmal ist es einfach von Vorteil dumm zu sein;-)

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  8. *GG*... manchmal ist es doch ganz gut, wenn man einfach zu doof ist. :O)) Heute verlangen die bestimmt 200 € und es wird immer noch Deppen geben, die darauf reinfallen. ;(

    LG

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    1. Ich bezweifle, dass es den Laden noch gibt. Die Produkte waren sowas von grottenschlecht, die sind bestimmt pleite oder sitzen im Knast;-)

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  9. Du bist und bleibst ein böses Mädchen!

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  10. Du bist klasse - ich war jung, brauchte das Geld und bin in den Kessel gefallen ;) - 5 Monate und eine Menge Erfahrung später habe ich dann alles hingeschmissen. Das die "Struckis" dort alle samt von der Polizei waren und ich zu der Zeit noch glaubte, wenn die das nebenher machen wird das wohl anständig sein, nur am Rand erwähnt...

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    1. Polizisten?

      Gruselig!

      Nein, das ist ja auch ne fiese Sache.

      Ich hoffe du hast nicht zu viel Geld gelassen!

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    2. Geld keins, aber Freundschaften sind durch meinen "Verkaufeifer" kaputt gegangen...Sie hatten die Versicherung oder eben auch nicht...das was nach meinem Ausstieg kam war allerdings weniger lustig...ein knappes Jahr hatte ich immer mal wieder das "Vergnügen" nachts auf dem Heimweg von immer den gleichen "Grünen" aus dem Verkehr gezogen zu werden...aber das war alles Zufall...auch das sie auf der Suche nach illegalem Zeug dreimal mein Auto auseinander genommen haben inkl. Sitzausbau...aber mit gerade mal 18 und dem Führerschein auf Probe kommt man nicht auf den Gedanken das es kein Zufall war...und aufm Dorf gibts ja nicht so viel "Grün"

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    3. Ja, ein Schelm der böses dabei denkt....

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  11. Wer deine Telefonnummer weitergibt ist selbst schuld ;-)

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  12. Versteh ich nicht so ganz: Wenn Du das doch alles gleich durchschaut hast, wieso hast Du dann 200 DM bezahlt? *hust*

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    1. Hab ich doch geschrieben: Ich war neugierig.
      Ich wollte die Unterlagen auch mal sehen und wollte wissen wie die Veranstaltung weiter geht.

      Man hatte ja versprochen, bei nicht gefallen, das Geld zurück zu zahlen. Was hätte mir passieren sollen?

      Ich hätte im Zweifelsfall den Mob auf sie gehetzt, hätten sie mir das Geld nicht zurück gegeben.

      Ich bin so. Manchmal einfach extrem neugierig;-)

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  13. Und Sie, Lady Crooks, sind mein neues Vorbild. Also.. falls ich mal wieder auf eins zurückgreifen möchte.

    Lg,

    Königstyrann

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    1. Bitte was?

      Ich glaube nicht dass, das eine gute Idee ist?

      Ich meine, da gibt es ganz viele wunderbare Menschen auf der Welt denen man nacheifern kann, aber doch nicht mir!

      Ich bin nur Mittelmaß;-)

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  14. Danke für diesen Lesegenuß!
    GENIAL :-)))!

    Lady Crooks, du bist ein Schneeballsystem-Meetings-Cracher :-)!

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  15. check. so einen Spaß kenne ich...

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